NOMOS GLASHÜTTE TANGENTE
Die NOMOS Glashütte Tangente ist über 30 Jahre alt. Seit der Vorstellung des ersten Modells im Jahr 1992 hat die deutsche Marke verschiedene Zifferblätter in unterschiedlichen Farben, Gehäusegrößen und Uhrwerke, teilweise mit Komplikationen, herausgebracht. Doch obwohl NOMOS Glashütte zahlreiche neue Modelle kreiert hat, bleibt jede Tangente der ursprünglichen Uhr von 1992 treu. Angus Davies erzählt die Geschichte der Tangente und erlebt die neueste Version der Uhr, die Tangente neomatik blaugold, hautnah.
NOMOS GLASHÜTTE SEIT 1990
Im Jahr 1992 heiratete ich die Frau meiner Träume. Wenn ich auf meine Hochzeitsbilder zurückblicke, war ich frisch und relativ schlank. Heute bin ich ein kahlköpfiger Mittfünfziger mit einem “Papa-Körper” und zahlreichen ziehharmonikaartigen Falten unter den Augen.
Ebenfalls 1992 brachte eine junge Uhrenmarke in Glashütte, einer Stadt in Sachsen, etwa 950 Meilen von meinem Geburtsort entfernt, vier neue Uhren heraus. Dieses Quartett, nämlich die Ludwig, die Orion, die Tangente und die Tetra, erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, insbesondere die Tangente, die die meistverkaufte Kollektion des Unternehmens ist. Trotz der Zeit hat die Tangente immer noch ein frisches Gesicht und einen schlanken Torso. Wenn ich meine Hochzeitsfotos mit dem Aussehen der Tangente vergleiche, wird deutlich, dass die Zeit dem deutschen Mittdreißiger sehr viel Gutes getan hat.
Obwohl 1992 das Jahr war, in dem NOMOS Glashütte die Uhrenszene eroberte, begann die Geschichte der Marke bereits 1990. Nur zwei Monate nach dem Fall der Berliner Mauer gründete Roland Schwertner sein Unternehmen in Glashütte, einer Stadt, die früher Teil der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) war.
Glashütte blickt auf eine stolze Geschichte der Herstellung mechanischer Uhren zurück, die bis ins Jahr 1845 zurückreicht, als Ferdinand Adolph Lange seine Manufaktur mit 15 Lehrlingen eröffnete. Nach dem Ende des Kommunismus erlebte die deutsche Stadt im Erzgebirge eine Renaissance der Uhrmacherkunst, und mehrere Marken ließen sich in Glashütte wieder nieder. Heute sind insgesamt neun Marken in der kleinen Stadt tätig, die weithin als das Epizentrum der deutschen Uhrmacherei gilt.
GESTALTUNG
Was also ist das Geheimnis der zeitlosen Schönheit der Tangente? Erlauben Sie mir, das zu erklären.
NOMOS hat sich im Laufe seiner Geschichte mit drei Gestaltungslehren auseinandergesetzt: dem Bauhaus, dem Deutschen Werkbund und der Ulmer Schule. Alle drei Design-Einflüsse sind deutschen Ursprungs, aber jeder hat seine eigenen Merkmale (siehe meinen Artikel über das Ludwig Neomatik 41 Date Ref 262 für weitere Details).
Das Design der ersten Tangente, die einen vergleichsweise bescheidenen Durchmesser von 35 mm aufwies, war minimalistisch. Die Stunden- und Minutenzeiger waren thermisch gebläut und äußerst schlank, ein Merkmal, das sich in der gesamten Komposition wiederfinden sollte. Arabische Ziffern, die vom Bauhaus inspiriert sind, kennzeichnen die geraden Stunden. Die ungeraden Ziffern sind einfache, langgestreckte und schlanke Stabindexe. Bei 6 Uhr befand sich eine versenkte kleine Sekundenanzeige, die mit einem leisen Schnalzen versehen war. Nichts war überflüssig. Sauber” und “verständlich” waren das Gebot der Stunde.
Diese Einfachheit setzte sich auch beim Gehäuse mit seiner zweiteiligen Konstruktion und der schlanken Lünette fort. Mit seiner zylindrischen Form und den geraden Flanken entsprach das Gehäuse nicht dem damals beliebten überdimensionalen Look. Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Tangente waren die schlanken, kantigen und langgestreckten Bandanstöße. Beim Tragen ließen sie die Uhr größer erscheinen, als es die angegebenen Maße vermuten ließen.
TANGENTE REFERENZ 139
Heute sehen die Tangente Reference 101 und Reference 139 genauso aus wie ihre Vorgänger aus dem Jahr 1992. Legt man beide Uhren nebeneinander, könnte nur die Mutter sie unterscheiden. Beide sind in einem hochglanzpolierten 35-mm-Stahlgehäuse untergebracht. Die Reference 101 ist mit einem massiven Gehäuseboden ausgestattet, der sich für eine handgravierte Botschaft anbietet. Die Reference 139 verfügt über einen Saphirboden, der den Blick auf das Handaufzugswerk im Inneren freigibt. Ich persönlich empfehle, ein paar Pfennige mehr in die Hand zu nehmen und sich für die Rückenverglasung zu entscheiden; der Anblick des schönen Uhrwerks rechtfertigt die zusätzlichen Ausgaben.
Die ursprüngliche Tangente von 1992 war mit einem ETA-Werk ausgestattet, doch 2005 signalisierte NOMOS der Uhrenwelt seinen Ehrgeiz, als es sein erstes hauseigenes Werk, das Kaliber Alpha mit Handaufzug, herausbrachte. Dieses Werk wird auch heute noch in mehreren NOMOS-Modellen verwendet, darunter die Modelle Reference 101 und Reference 139. Wie ich später erläutern werde, hat NOMOS’ Wunsch nach Unabhängigkeit dazu geführt, dass das Unternehmen bis heute 11 eigene Uhrwerke entwickelt hat, sechs mit Handaufzug und fünf mit Automatik.
BERLINERBLAU
Berlinerblau, eine hundertprozentige Tochter der deutschen Uhrenmarke, ist eine Kreativagentur mit Sitz in der deutschen Hauptstadt, die sich dem Design und Branding der NOMOS-Uhren widmet. Wenn man bedenkt, dass die Tangente Reference 139 ihrem Vorgänger aus dem Jahr 1992 zum Verwechseln ähnlich sieht, mag sich mancher NOMOS-Neuling fragen, was eigentlich in den Ateliers des Unternehmens passiert.
Aber wenn Sie die NOMOS-Website besuchen, werden Sie feststellen, dass das Unternehmen im Laufe der Jahre sehr produktiv war und neue Modelle mit verschiedenen Farben, Texturen, Größen, Uhrwerken und Komplikationen entwickelt hat. Ich habe Berlinerblau schon mehrmals besucht und schaue mir immer wieder gerne die Zeichnungen, Moodboards und zahlreichen Pantone-Muster an. In Kreuzberg, einem ehemals östlichen Bezirk Berlins, pulsiert die Kreativität in vielen Formen und die Vitalität ist allgegenwärtig.
Bild – Copyright: NOMOS Glashütte
Die Kreation neuer NOMOS-Modelle ist eine Gemeinschaftsarbeit, bei der das Designtalent von Berliner Blau und die uhrmacherische Kompetenz der Glashütter Manufaktur zusammenwirken. Eine Arbeitsweise, die im Laufe der Jahre unglaubliche Uhren hervorgebracht hat und der Uhrenmarke “mehr als 160 Preise für gutes Design, Uhrmacherhandwerk und Nachhaltigkeit” eingebracht hat.
SWING SYSTEM (2014)
Ein wichtiger Bestandteil des NOMOS-Paradigmas ist das Bedürfnis, unabhängig zu sein. Wie ich bereits erwähnt habe, hat das Unternehmen 2005 sein erstes eigenes Uhrwerk hergestellt. Wie die meisten Uhrenfirmen bezog NOMOS jedoch viele Jahre lang seine Hemmungen und Regulierorgane von einer Spezialfirma in der Schweiz.
Bild – Copyright: NOMOS Glashütte
Um weniger abhängig von Dritten zu sein, hat das deutsche Unternehmen ein siebenjähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm gestartet. Das gipfelte darin, dass die Marke 2014 ihr “Swing-System” vorstellte, wie NOMOS seine Hemmung und sein Regulierorgan nennt. Ein gewaltiges finanzielles Unterfangen, das das Unternehmen 11 Millionen Euro kostete.
Damit das Swing System funktionieren kann, muss jedes winzige Bauteil harmonisch zusammenarbeiten, um Präzision und Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Das technisch wohl anspruchsvollste Teil ist die Spiralfeder. Ein Legierungsdraht (die Zusammensetzung ist ein streng gehütetes Geheimnis) wird sorgfältig über eine Reihe von Rollen gezogen, ein Prozess, der mehrere Tage dauert. Der Durchmesser dieses Drahtes wird durch eine Reihe von Matrizen reduziert, wobei sichergestellt wird, dass der Querschnitt gleichmäßig bleibt. Schließlich wird der Draht in Blätter geschnitten, gewickelt, erhitzt und gekühlt. Die genauen Einzelheiten des Verfahrens, einschließlich der Kochtemperaturen und -zeiten, sind vertraulich. Zum Vergleich: Die Toleranzen bei der Herstellung von Sprungfedern werden in Nanometern gemessen (1.000.000 Nanometer = 1 mm).
Durch die Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen bei der Herstellung des Swing-Systems ist NOMOS immun gegen potenzielle Lieferprobleme, die andere Unternehmen möglicherweise betreffen.
NEOMATIK (2015)
Im darauffolgenden Jahr (2015) verblüffte NOMOS die Uhrensammlergemeinde mit der Vorstellung des ersten Neomatik-Werks, des Kalibers DUW 3001.
Bild – Copyright: NOMOS Glashütte
Normalerweise ist ein Automatikwerk dicker als ein Uhrwerk mit Handaufzug, weil die Schwungmasse auf den Brücken oder der Dreiviertelplatine mehr Platz benötigt. Das Kaliber DUW 3001, ein Uhrwerk mit Automatikaufzug, ist jedoch nur 0,6 mm dicker als das Kaliber Alpha und bleibt dünner als viele Handaufzugswerke anderer Marken.
WIRKUNGSGRAD DES GETRIEBES
Wie also hat NOMOS sein bahnbrechendes Automatikwerk entwickelt? Auf verschiedene Weise, aber vor allem durch die Überarbeitung des Räderwerks. NOMOS stellte fest, dass bei den meisten Uhren die Übertragung der Energie vom Federhaus auf die Hemmung nicht sehr effizient ist und manchmal nur 80 % der Kraft des Federhauses die Hemmung erreicht. Das Unternehmen untersuchte jedes einzelne Rad im Räderwerk und überprüfte die Anordnung, den Winkel und die Anzahl der Zähne. Durch die Optimierung der Konstruktion des Räderwerks erreichte das Unternehmen einen Wirkungsgrad von 94,8 %. Dadurch konnte NOMOS die Größe der Triebfeder reduzieren, was das Uhrwerk weniger wuchtig macht und gleichzeitig eine Gangreserve von bis zu 43 Stunden ermöglicht.
KALIBER DUW 6101
Einige Jahre später, im Jahr 2018, brachte die Marke das Kaliber DUW 6101 heraus, ein weiteres schlankes Automatikwerk. In diesem Fall ist die Datumsscheibe direkt am Rand des Uhrwerks positioniert, sodass die Marke die Datumswerte in großem Format anzeigen kann.
Das Uhrwerk verfügt außerdem über zwei Sicherheitsfunktionen. Erstens kann der Träger die Krone in beide Richtungen drehen, ohne eine Beschädigung des Uhrwerks befürchten zu müssen. Zweitens gibt es bei den meisten Uhren mit Datumsanzeige ein Zeitfenster, in dem das Datum nicht verstellt werden darf (normalerweise zwischen 2000 und 0030 Uhr). Beim Kaliber DUW 6101 beträgt das Zeitfenster, in dem das Datum nicht verstellt werden darf, nur 90 Minuten.
NOMOS GLASHÜTTE TANGENTE 41 UPDATE
Während das Kaliber DUW 6101 in der Lage ist, das Datum im Breitbildformat anzuzeigen, verzichtet die Tangente 41 Update, die wohl innovativste Uhr mit diesem Uhrwerk, interessanterweise auf die üblichen Ziffern. Stattdessen wird das aktuelle Datum von zwei rautenförmigen Markierungen eingerahmt. Ungewöhnlich, aber verständlich: Das Modell war sofort ein Erfolg und gewann 2018 den GPHG-Preis für Uhren.
GROSSARTIGES DESIGN MUSS NICHT ÜBERARBEITET WERDE
Zwar hat NOMOS in den letzten 30 Jahren zahlreiche Varianten der Tangente herausgebracht, doch das Fundament wurde bereits 1992 gelegt, und die Formgebung des Modells hat sich bis heute durchgesetzt. Die vom Bauhaus inspirierten Stundenmacher, die schlanken Stunden- und Minutenzeiger, die kleine Sekunde bei 6 Uhr, die schlanke Lünette, das zylindrische Gehäuse und die langgestreckten Bandanstöße haben sich nie verändert.
Was könnte man der Tangente hinzufügen oder wegnehmen, ohne ihr geschlossenes und elegantes Erscheinungsbild zu schmälern oder, schlimmer noch, ihren zeitlosen Charme zu zerstören? Nichts, die Tangente ist ein Musterbeispiel für großartiges Design.
NOMOS GLASHÜTTE TANGENTE NEOMATIK PLATINGRAU (2022)
Im vergangenen Jahr (2022) stellte NOMOS die Tangente neomatik platinum gray (US-englische Schreibweise) vor. Bei näherer Betrachtung sieht alles aus wie beim Modell von 1992, mit Ausnahme des Uhrwerks und der Farbe des Zifferblatts, das in Rhodium (eines der sechs Platingruppenmetalle) gehalten ist. Das Kaliber DUW 3001 ist das Herzstück der Uhr, die in den Größen 35 und 39 mm mit oder ohne Saphirglasboden angeboten wird. Obwohl die Tangente neomatik platinum grey vergleichsweise neu ist, bleibt sie doch beruhigend vertraut.
NOMOS GLASHÜTTE TANGENTE NEOMATIK BLAU GOLD (2023)
In diesem Jahr haben die Teams in Berlin und Glashütte einen neuen Ausdruck des Tangente-Besitzes konzipiert: die Neomatik Blue Gold. Sie ist im Wesentlichen identisch mit der platingrauen, nur das Zifferblatt ist blau. Und was für ein Zifferblatt das ist!
Der Name spielt auf das Verfahren zur Herstellung des Zifferblatts an. Zunächst wird das Zifferblatt vergoldet, dann galvanisiert und anschließend poliert, um eine Sonnenschliff-Optik zu erzielen. Das Zifferblatt weist einen satten Blauton auf, der mit dem Licht flirtet und kontrastreiche Glanz- und Schattenbereiche erzeugt. Im Gegensatz zu anderen Tangente-Modellen erscheint die kleine Sekundenanzeige bei 6 Uhr viel dunkler als die Hauptebene des Zifferblatts. Bei genauem Hinsehen handelt es sich jedoch um dieselbe Farbe; der Farbkontrast ist lediglich eine optische Täuschung.
SCHLUSSBEMERKUNGEN
Der mehrfach preisgekrönte Tangente ist dem ursprünglichen Entwurf, der vor über 30 Jahren entwickelt wurde, treu geblieben. Doch mit Größe kommt auch Verantwortung. Die kreativen Köpfe von Berliner Blau sind sich bewusst, dass sie das Erscheinungsbild der Tangente bewahren müssen, und bis heute haben sie hervorragende Arbeit geleistet.
Die Tangente hat eine großartige Geschichte und den Anzeichen nach eine sehr gute Zukunft.